Samuel Salcedo - schließe die Augen, um zu sehen - Skulptur und Installation
19. Juni bis 18. September 2022.
Samuel Salcedo (geb. 1975) ist ein international anerkannter Bildhauer. Er wurde in Barcelona geboren. Salcedo studierte an den Kunstakademien in Barcelona und Manchester. Erlebt und arbeitet in Barcelona. Sein vielfältiges und umfangreiches Werk konnte er in zahlreichen Ausstellungen in Europa und den USA präsentieren. Das Projekt in Bad Arolsen ist seine erste Museumsausstellung in Deutschland.
Samuel Salcedo breitet seinen skulpturalen Kosmos in der Mitte der barocken Stadtanlage des ehemaligen Fürstentums Waldeck und Pyrmont aus. Seine Kopfskulpturen, die er mit geschlossenen Augen und mimischer Vielfalt gestaltet, wurden den klassizistischen Skulpturen der Goethezeit im Christian Daniel Rauch-Museum hinzugefügt. Andere bespielen den Raum zwischen dem Gebäude des ehemaligen Marstalls und der barocken Dreiflügelanlage im Grünen, im relikthaften Schlossgraben zu beiden Seiten der Brücke, im Hof des Schlosses und schließlich die Räume des Schlosses selbst. Im Spannungsfeld von Geschichte, Natur, Kunst und Künstlichkeit zeigt sich in Material, Motiv und Maßstab eine enorme Vielfalt, die vielschichtig und vieldeutig aufeinander Bezug nimmt.
Zu Interventionen im Christian Daniel Rauch-Museum werden zeitgenössische Künstler verschiedener Kunstgattungen seit 2012 eingeladen. Die Prämisse des Gewinns von Erkenntnissen und der Erweiterung ästhetischer Erfahrungen ist auch der Intervention Samuel Salcedos zu Eigen. Seine Inszenierung mit den beiden hoch aufgesockelten Watchtowers ist irritierend. Sie durchkreuzen die vorgegebene Ordnung aus einem anderen und unerwarteten Zusammenhang und überbrücken die Zeit.
Die Auseinandersetzung mit der barocken Gestaltung des Außenraums, der Architektur und der Räume führt er als Dialog. Supraporten, Deckengemälde, Holzvertäfelungen dienen ihm als Folie. Der Künstler nutzt das historisch Vorgegebene des Ortes ungezwungen als Überschreibungsfläche. So werden die Räume mit veränderten Wirklichkeitsbezügen aufgeladen, die der Weltsicht des 21. Jahrhunderts entsprechen. Es entstehen vielfältige Verschiebungen. Sowohl als Einzelbild, als Installation und als Sequenz eines Zyklus lesbar, bieten die Arbeiten ein Vexierspiel von Fläche und Raum, Kunst und Funktionalität, von Raum und Zeit, von Ursprüngen und möglichen Zielen. Die Sinne bewegen und beleben, aber ebenso überwältigen; diese barocken Prämissen scheinen auch in den verführenden Farb- und Formillusionen der künstlerischen Arbeit von Samuel Salcedo wirksam.
Die Spuren des skulpturalen Entstehungsprozesses sind Spuren von Wissen und Emotion, von Erfahrung und Reflexion – eindrückliche Zeugnisse einer humanitären Position, von der aus das Problem der Bestimmung des Menschen, der Existenz des Individuums als soziales Wesen zur Anschauung gebracht werden kann.
Die Skulpturen weisen hin auf die durch Ambivalenzen bestimmte Existenz des Menschen. Anrührend, behutsam, verletzlich, humorvoll erscheinen sie und beziehen Gegenposition, entwickeln im Dialog oder im Diskurs mit der barocken Bilderwelt ihre eigene Macht.
Ausstellungen im Schloss
Museum Bad Arolsen und Museumsverein
Mittwoch bis Samstag 14.30 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr, Sonntagsführungen 11.15 Uhr. Information 05691 / 625734
Friedrich Seidenstücker
Leben in der Stadt
5. März bis 8. Mai 2022
Friedrich Seidenstücker (1882-1966) zählt zu den bedeutenden Chronisten des Alltagslebens im Berlin der Weimarer Republik. Noch während seines Ingenieurs- und Bildhauereistudiums in Berlin beginnt Seidenstücker im Zoo zu fotografieren. Um 1923 erhält er vom Zoologischen Garten Berlin eine offizielle Fotografiererlaubnis und entscheidet sich für die Lichtbildkunst als Lebensunterhalt. Eine kleine Patent- Etui-Kamera für das Negativformat 9 × 12 cm ermöglicht ihm unauffälliges Fotografieren und so macht er schon bald auch die ersten Aufnahmen außerhalb des Zoos auf den Berliner Straßen. Seine Aufnahmen bietet er den Berliner Verlagen Scherl und Ullstein an und erhält 1930 vom Ullstein-Verlag als freier Bildjournalist ein Engagement.
Seine atmosphärischen Fotografien, meist entstanden auf seinen Streifzügen durch die Stadt, erzählen von scheinbar beiläufigen Ereignissen und Begebenheiten, vom Sonntagsvergnügen und vom Arbeitsalltag, von Kinderspielen auf der Straße und vom Treiben auf Bahnhöfen und im Zoo. Seidenstücker zeigt, häufig mit humoristischem Blick, die Menschen und das Leben in der Metropole. Seine Aufnahmen machen zugleich die Härten der Großstadtexistenz sichtbar und lassen im Hintergrund immer wieder auch die Gegensätze der sozialen Realität in den Zwischenkriegsjahren durchscheinen.
Die Ausstellung mit 100 Werken aus der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, lädt dazu ein, Friedrich Seidenstücker auf seinen Spaziergängen durch das Berlin vor 100 Jahren zu folgen. Es ist aufmerksamen Historikern, Sammlern und Archivaren zu verdanken, dass Seidenstückers Aufnahmen bis in die letzten Jahrzehnte hinein gesichert wurden und heute wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
Die Kunst des Augenblicks
Bis auf wenige Ausnahmen findet der „Momentknipser“, wie er sich selbst bezeichnete, seine Motive auf der Straße. Seine berühmt gewordenen Aufnahmen der „Pfützenspringerinnen“ respektieren als Bildmetaphern die großstädtische Moderne und urbanes Leben. Mit handlicher Kamera und lichtempfindlichem Objektiv dokumentiert er instinktsicher noch viele weitere Szenen und Gestalten - darunter Kleingewerbler, wie Kofferträger, Kutscher und fliegende Händler, Kindermädchen, Müllarbeiter und Zeitungsverkäuferinnen – bei ihrem täglichen Tun und Handeln, aber auch beim Warten oder Ausruhen.
„Ich bin ein Ausflugsmensch“
So charakterisiert sich Seidenstücker selbst und macht sich auf, seine Bildmodelle an den Wannseestrand oder zur Kirschblüte nach Werder zu begleiten. Sein Lieblingsort ist jedoch der Zoologische Garten. In seinen hier entstandenen Aufnahmen wird nicht nur die Begeisterung der Tiergartenbesucher sichtbar – manchmal scheinen Betrachter und Betrachtete ihre Rollen zu vertauschen: Ob die Tiere sich wohl auch für die Menschen interessieren?
Seidenstückers Fotografien aus den 1920er bis 1940er Jahren sind Bilder des Alltags, frühe Street Photography, die mit zugewandtem Blick und feinem Gespür die Menschen im sozialen Gefüge der modernen Gesellschaft dokumentiert. Mit einem Augenzwinkern vermitteln sie uns heute eine Vorstellung von den Härten und der Mühsal, aber auch von den Sehnsüchten, den kleinen Ablenkungen und den Vergnügungen des Lebens in der Stadt.
Seidenstücker veröffentlicht seine Fotografien von Tieren und Menschen als kommentierte Einzelbilder, Bildcollagen oder Bildstrecken in zahlreichen illustrierten Zeitungen und Magazinen. Bis in die 1950er Jahre bedient er Anfragen für Veröffentlichungen aus seinem Archiv. An seine publizistischen Erfolge der späten 1920er und 1930er Jahre kann er nach dem Krieg jedoch nicht wieder anknüpfen, nach seinem Tod 1966 gerät sein Werk in Vergessenheit.
Friedrich Seidenstücker
Leben in der Stadt
5. März bis 8. Mai 2022
Ausstellungen im Schloss
Museum Bad Arolsen und Museumsverein
Mittwoch bis Samstag 14.30 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr, Sonntagsführungen 11.30 Uhr. Information 05691 / 625734